Reisebericht einer Baumbotschafterin
Skiathos ist eine Insel, die weit mehr als himmlische, menschenleere Buchten zu bieten hat. Das Wasser variiert bilderbuchhaft in unzähligen Blau-, Grün- und Türkistönen, ist meist still wie ein See mit metertiefer Klarsicht bis zum Meeresboden. Wir fühlten uns eingeladen, uns von den Putzerfischlein putzen zu lassen und von Bucht zu Bucht zu schwimmen. An so manch einer Minibucht (geschätzte 10 bis 20 m2 klein) befindet sich ein vergessener Sessel oder eine vereinsamte Liege, um völlig alleine verweilen zu können. Doch in diesem Bericht geht es um so viel mehr als um das Meer. Wer dem Meerbaden noch ein Waldbaden unter magischen Baumriesen hinzufügen möchte, wird sich hier pudelwohl fühlen.
Bei Koukounaries (dt. Föhrenwald) im Westen von Skiathos befindet sich einer der drei natürlichen Kiefernwälder Griechenlands. Dieser ist ein einzigartiges Biotop, da seine Kiefern auf reinem Sandboden wachsen.
Einige Kilometer weiter – die Insel ist überschaubar – befindet sich der sogenannte „Magic Forest“.
Dieser Wald ist ein echtes Elysium (griechischer Himmel). Obgleich er sehr versteckt liegt und zum Glück auch von den Griechen als Geheimnis behütet wird, sollte er ganz oben stehen auf der Liste der Naturerlebnisse, die man gesehen haben muss. Der magische Wald ist weniger groß als man jetzt vielleicht denken würde.
Der Weg bis zum Wald ist eine zirka zwei-stündige Wanderung. In Anbetracht der Hitze (Juni 2024) fand ich den Weg dorthin herausfordernd. Er bietet kaum Schatten und es sind einige steinige Steillagen zu passieren. Doch mein Mann hat ihn mit Flipflops gemeistert. Somit alles relativ.
Ein kleiner Hinweis: Der Wald liegt direkt unterhalb des Kechria-Klosters aus dem 18. Jahrhundert, das ebenfalls einen Besuch wert ist.
Der Waldzugang wurde offensichtlich von der Flut im letzten Herbst derart durchspült, dass erstaunliche Wegfurchen – stell dir das bildlich vor“! – in der Höhe von geschätzten 2 bis 3 Metern den Eingang markierten. Wir mussten balancierend und teils auf allen Vieren hier durch.
Als wir diese wenigen Meter des Zugangs (zirka 100) über die hohen Wegfurchen überwunden hatten, was sofort klar: Das ist er, der Magic Forest.
Prompt erfasste mich eine Gegenwärtigkeit von der ich, als langjährige Achtsamkeitspraktizierende, bisher nicht mal geträumt hatte.
Eine tiefgründige Glückseligkeit, gefolgt von einem Wechselbad an Gefühlen des Staunens, der Gänsehaut, der Ehrfurcht, des Entzückt-Seins und der Demut mündeten in Dankbarkeit für das Wunder des Lebens.
Nun, was macht diesen Wald so magisch?
Zunächst darfst du dir eine schier endlose Artenvielfalt vorstellen. Es sind unzählige kleine Lebewesen, die hier vorbeiflitzen und anmutig umherflatternd ihr Geschäft verrichten. Sie schillern in allen Farben, Formen und Strukturen.
Es bilden sich Flecken aus Moos, Flechten und floralen Bodendeckern.
Wenn du dann noch den frischen Duft unzähliger wild wachsender Kräuter und farbenfroher Blüten hinzufügst, bekommst du ein ziemlich genaues Bild davon, was dich erwartet.
Dieser Wald wirkt alt, gesund und weise. Ein Indiz dafür sind die hier anzutreffenden Pflanzenwesen: Schachtelhalme und Farne in einer Größe, dass ich mir vorkam wie Alice im Wunderland.
Farne stehen in der Pflanzensymbolik für die Mystik und das Geheimnisvolle. Der Grund dafür ist die eigenwillige Vermehrungsform der Sporenträger. Als Teil des Unterwuchses in den Wäldern tragen Farne zur Förderung der Biodiversität bei. Im Karbon (vor etwa 360–300 Millionen Jahren) bildeten Farne zusammen mit Schachtelhalmen und Bärlapppflanzen riesige Wälder und schufen die Basis für die meisten heutigen Steinkohle-Vorkommen. Holzkohle lässt sich hier direkt erkennen, an den Wurzelknollen der umgefallenen Baumriesen.
The dark Side of the Tree
Fast jeder einzelne Baum stellt hier eine Entität dar. In ihrer Gestalt ebenso wie in ihrer Größe zeigen diese Bäume Wahrhaftigkeit. Fast alle zeigen ein Gesicht und damit sehr deutlich ihre Wesenheit. Einige wirken fröhlich, andere eher garstig, manch einer sogar boshaft, einige wirken erschöpft, wieder andere empört.
An diesem Ort wird die romantische Idealisierung von Bäumen überwunden.
In dieser Gesellschaft stell dir nun vor, wie die Sonne durch ein nahezu undurchdringliches Dach aus üppigem Blattwerk scheint. Wobei es am Tag unseres Besuches bewölkt und daher sicherlich noch entrisch war.
Das Phänomen Komorebi 1) war daher kaum sichtbar.
In solch einer magischen Umgebung zu fotografieren, kostet mich generell eine große Überwindung.
Am Rückweg hat sich dann der Teil in mir durchgesetzt, der mich fotografieren ließ, ganz im Sinne von „Sharing is Caring“. – Ja genau, man kann sich immer alles schönreden 😉.
Jedenfalls ist dies ein Wald, bei dem selbst die beste Fotografie daran scheitert, die Qualität dieses zauberhaften Ortes einzufangen. Meine Fotos sind übrigens unbearbeitet und das Licht war – wie gesagt – nur mäßig an diesem Tag.
Was hier zusätzlich an Input hereinströmte, wäre buchfüllend. Und wer weiß, vielleicht kommt das noch.
Interessant fanden wir zudem die Nachwirkungen, im Anschluss an den Waldaufentlhalt: Eine deutliche Geistesruhe – Gelassenheit, Gewahrsein, Glückseligkeit – gekoppelt mit einer belebenden, aphrotisierenden, Energie.
Und wir wussten: Genau so ist das Leben gemeint.
Nun aber komm mit zur Bilder-Reise unter folgendem Link:
P.S. Was du wissen solltest, um die Reise dorthin anzutreten:
Mach dich am frühen Morgen auf den Weg zum Kechria-Kloster. Es ist etwa acht Kilometer von Skiathos-Stadt entfernt. Es empfiehlt sich mit Auto oder Motorbike hinzufahren, jedenfalls nicht zu Fuß. Denn es wird bereits am späten Vormittag recht warm. In den offenen Waldgebieten kann es richtig heiß werden und in den dichten Wäldern trotz des schattigen Blätterdachs unglaublich schwül.
Stelle sicher, dass du ein bequemes Paar Wanderschuhe (knöchelfrei) oder idealerweise Barfussschuhe dabei hast. Nimm Wasser und einen Sonnenhut sowie Sonnencreme mit. Unterwegs gibt es kein Wasser, aber im Wald dafür klares, sauberes Trinkwasser aus der Quelle und der Wald öffnet sich letztlich am Kechria Beach, wo es eine Taverne und einen wunderbaren griechischen Salat gibt.
Für den Weg solltest du mäßig fit sein. Die Wanderung dauert bei gemächlichem Tempo etwa vier bis fünf Stunden (hin und retour). Der Weg ist von Zeit zu Zeit markiert und in der Regel geräumt. Dennoch fällt es selbst den Inseleinwohnern schwer diesen Wald zu finden und sie können dadurch den Weg kaum beschreiben. Oder vielleicht wollen sie das auch gar nicht. Es ist also und bleibt hoffentlich ein echter Geheimtipp.
Während unserer Wanderung kamen wir an keiner Menschenseele vorbei. Dadurch ergab sich eine ungewöhnliche Ruhe, sodass die Geräusche des gurgelnden Baches und der Natur deutlich verstärkt wurden. Das machte es noch intimer.
1) Unter „Komorebi“ versteht man in Japan, das goldene Licht, das durch die Blätter der Baumkronen in den Wald hineinstrahlt.
Finde hier nähere Infos samt Anmeldemöglichkeit zum Waldbaden, jeden 1. Sonntag im Monat im Wienerwald
https://www.shinrinyoga.at/waldbaden-wien-niederoesterreich/
Ich freue mich auf neue Gesichter!
Angelika,
die den Bäumen lauscht.